Die sich abzeichnende Neue Weltordnung
Interview mit Jochen Scholz iiber die USA, deren AuRenpolitik und
die politischen und militarischen Folgen von 9/11 sowie der
Finanzkrise fur die bisherige Weltordnung.
Ihr voller Name: Hans-Jochen Scholz
Ausbildung / Studium: Abitur, Berufsoffizier Luftwaffe, Studium Geschichte, Politik
Ihr professioneller Hintergrund (Karriere Meilensteine): 12 Jahre NATO-Gremien, 6 Jahre NATO-
Stabe, 6 Jahre Bundesministerium der Verteidigung
Derzeitige Tatigkeiten: Mitarbeiter eines MdB, Politikberater eines Stillen Internationalen
Wirtschaftsnetzwerks
Alter: 66
Haben Sie eine eigene Website, welche Sie hier nennen mbchten? www.linkes-europa.eu
Jochen Scholz: Vorbemerkung: Ich muss zwangslaufig sehr verdichten, da andernfalls der Rahmen
eines Interviews gesprengt wurde. Das bedeutet fur den Leser, im einen oder anderen Fall vertiefend
selberzu recherchieren.
Abbildung: Jochen Scholz (Quelle: privat)
Interviewer: Die USA sind die einzige verbliebene Weltmacht. Zufalle der Geschichte oder von langer
Hand geplant? Wenn geplant, seit welchem Prasidenten (Stichwort George Washington/Freimaurer)?
Jochen Scholz: Ich reagiere allergisch auf Freimaurerverschwbrungsunterstellungen, siehe auch Ihre
Frage zur Unterscheidung von Spreu und Weizen (Anm. der Red.: siehe spater in diesem Interview).
Interviewer: Kbnnen Sie die Verschiebung des Machtgefuges in der Welt, angefangen mit der
Wende, hin zum 1 1 . September bis heute auf der Welt beschreiben? Welche Rollen spielen USA,
Europa, Russland und China?
Jochen Scholz: Die USA haben zunachst ihren Aufstieg zur Weltmacht ihrer geographischen Lage
und ihrem Ressourcenreichtum zu verdanken. Von den innereuropaischen Auseinandersetzungen des
18. und 19. Jahrhunderts waren sie nicht direkt betroffen. Seitdem Ende des Ersten Weltkriegs haben
sie jedoch zielstrebig darauf hingearbeitet, das britische Empire als bis dahin dominierende Weltmacht
abzulbsen. Sowohl an dessen Ende als auch am Ende des Zweiten Weltkrieges waren sie der grbfite
Glaubiger und Exporteur der Welt, verfugten nach den Vereinbarunqen von Bretton Woods (1944) mit
dem Dollar uber die alleinige Weltreserve - und Weltleitwahrunq und beherrschen uber die
Stimmenverhaltnisse im Internationalen Wahrunqsfonds und der Weltbank die fur Kreditierung,
Wahrungsrelationen und wirtschaftliche Entwicklung entscheidenden Institutionen bis heute. Wann
immer diese Dominanz in Gefahr war, haben es die USA verstanden, ihre Vormachtstellung neu zu
zementieren: 1971 nach der Aufkundigung des Goldstandards und derfesten Wechselkurse durch
eine Dollar-Nachfragebelebung in Form einer 400-prozentigen Steigerung des Olpreises (1973), der in
Dollar fakturiert wird; 1 979 durch eine Zinserhbhung der FED um 300 Prozent auf Werte um 20
Prozent, was dem Finanzsektor reale Renditen von 6 bis 8 Prozent bescherte, die europaischen
Volkswirtschaften schwachte und den Dollar starkte (William Engdahl gibt auf den Seiten 328 ff im
.. Unterqanq.. " einen ausfuhrlichen Uberblick);
Abbildung: Die Dollarnote
1997/98 wurde das (aufier fur das Dollarsystem) attraktive Wirtschaftsmodell der asiatischen
Tigerstaaten durch einen spekulativen Angriff auf deren schwachste Wahrungen unter die Fuchtel des
Dollarsystems gebracht. Ich will es dabei belassen und auf weiterfuhrende Literatur verweisen.
Michael Hudson, .. Superimperialism " (online abrufbar); James Cumes, .. Suicidal Statecraft "; William
Engdahl, „ mit der Olwaffe zur Weltmacht " und .. Per Unterqanq des Dollarimperiums ", Andre Gunder
Frank, .. Met Uncle Sam Without Clothes " (online abrufbar).
„Die Finanzkrise hat die Position der USA entscheidend
geschwacht"
Die Grundarchitektur des Machtgefuges, wie es sich nach dem Ende des Kalten Krieges
herausbildete, hat sich auch nach dem 1 1 . September nicht geandert. Allerdings ist es den USA
gelungen, mit dem .. Krieq qeqen den Terror " militarisch in Bereichen Fufi zu fassen, die ihnen zuvor
verschlossen waren, also in Zentralasien bis an die Grenze zu China, in ehemaligen Sowjetrepubliken
und durch den Krieg gegen Irak im Nahen Osten. Die nach dem Kollaps der Sowjetunion versuchte
Ausschaltung Russlands als Machtfaktor durch die von Jelzin akzeptierte Schocktherapie beim
Umbau der Staatswirtschaft mit Hilfe der .. Chicago Boys " aus der Milton Friedman -Schule der
Okonomie („Monetarismus"), durch Russlands Demutigung auf dem Balkan der 1990er Jahre und
durch die Ausweitung der NATO bis an die russischen Grenzen ist von Putin vorlauflg gestoppt
worden. Der ktirzlich zu Ende gegangene sog. G-2 Gipfel (USA-China) zeigt, dass das Platzen des
Spekulations-Schneeballsystems mit der Folge einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise
ungeheuren Ausmaftes die Position der USA entscheidend geschwacht hat. Neue Bundnisse
entstehen, wie die BRIC-Staaten . In Asien nimmt die SCO immer konkretere Formen an, eine
klassische „ Blowback "-Situation entsteht. Die EU verharrt in der ruckwartsgewandten
„transatlantischen Wertegemeinschaft" und als Verteidiger des Dollarsystems, anstatt mit eigenen
Konzepten am erforderlichen Umbau der Weltwirtschafts- und Weltordnung mitzuwirken (Vgl. dazu
auch meine Artikel .. Project for a New European Century " sowie " Sedierte EU ".
Die Hauptbasis der US-Hegemonie, der Dollar als Weltleitwahrung, ist aber mittelfristig nicht zu halten.
China ist bereits dabei, seine Dollarreserven vermehrt fur die Investition in auslandische Unternehmen
zu nutzen und rucktzunehmend vom Kauf von US-Staatspapieren ab.
Abbildung: Nachtliche Skyline von Hong Kong, VR China, von der Lugard Road auf dem Victoria Peak
aufgenommen. (Quelle: Base64, retouched by CarolSpears, via Wikipedia)
Interviewer: Es wird behauptet, die Rockefellers . Morgans . Warburgs und die Rothschilds hatten
1913 durch den Federal Reserve Act das Geldsystem unter ihre Kontrolle gebracht und wiirden
seitdem hinter den Kulissen die Strippen der kapitalistischen Ideologie Ziehen? Dies wird z. B. im Film
.. The Money Masters " beschrieben. Ist es wahr, dass die Regierung der USA von dieser kleinen Wall
Street Elite, dem „Money Trust", kontrolliert wird?
„Die Einfiihrung der FED durch die Privatbanken im Jahre 1913 kam
einem Staatsstreich gleich"
Jochen Scholz: In der Tat gelang es den fuhrenden Privatbanken der USA, 1 91 3 in einer sorgfaltig
vorbereiteten vorweihnachtlichen Uberrumpelungsaktion das Gesetz uberdie Einrichtung einer
Zentralbank, das Federal Reserve System, Fed, durch den Kongress zu bringen. Die Fed ist eine
Privat-Zentralbank - in der die New Yorker Fed sozusagen das Ruckgrat bildet - hinter der die groften
Bankhauser der USA stehen. Sie ist keine Regierungseinrichtung, sondern mit hoheitlichen Aufgaben
betraut. Einen umfassenden Einblick gibt der New York Times-Bestseller .. Secrets of the Temple " von
William Greider. Vor dem Hintergrund einer Debatte (iber die Frage, wer die Kontrolle uber
Kreditschbpfung und die Wahrung ausuben solle, die seitder Unabhangigkeitserklarung mit
wechselnden Richtungsentscheidungen in den USA leidenschaftlich gefuhrtwurde, kommt dieses
Ereignis 1 91 3 einem Staatsstreich gleich. Wie weit der Einfluss von (heute) Goldman Sachs, JP
Morgan Chase und wenigen weiteren Banken der Wall Street reicht, mag sich jeder anhand der
Abschaffung des Glass-Steaqall Acts im Jahr 1999, der Besetzung der wichtigsten Amter in der US-
Regierung und der gigantischen Bail-out-Programme von Paulson und Geithner selber beantworten,
um nur einige Stichworte zu nennen.
Abbildung: US-Prasident Franklin Delano Roosevelt, 1933, unterihm wurde der Glass-Steagal-Act
eingefuhrt urn den Banken mehr Sicherheit zu gewahrleisten und sie vor riskanten Spekulationen zu
schutzen.
In einem lanqeren Beitraq hat sich erst kurzlich die Financial Times Deutschland mit Blick auf das
Personal der US-Regierung dieses Themas angenommen. In der Printausgabe lautete der Titel in
Anlehnung an den bertihmten Film uber die Watergate-Affare („AH the President's Men"): „AH the
Banker's Men".
Ich weise in diesem Zusammenhang besonders auf die Zitate des ehemaligen Staatsanwalts und
heutigen Wirtschaftsprofessors William Black hin. Ob sich Paul Volcker als Vorsitzender des
Economic Recovery Advisory Board gegen die Banken der Wall Street (und innerhalb der Regierung
gegen Geithner und Summers) durchsetzen wird, ist trotz der iunqsten Krieqserklarunq von President
Obama offen. Denn in beiden Parteien stehen zahlreiche Politiker auf den Zuwendungslisten der
grofcen Banken.
Da Sie in Ihrer Frage von Schatten ansprechen: ich mbchte die Lesergerne auf ein ganz spezielles
Schattenreich aufmerksam machen, das in der gesamten Debatte uber die Entwicklung des
Finanzsektors nahezu keine Rolle spielt, namlich seine Verzahnung mit der organisierten Kriminalitat.
Es gibt dazu zwei ausgezeichnete Bucher: Wolfgang Hetzer, .. Tatort Finanzmarkt, Geldwasche
zwischen Kriminalitat, Wirtschaft und Politik " und Wolfgang Hafner, „lm Schatten der Derivate, das
schmutziqe Geschaft der Finanzelite mit der Geldwasche ". Bestatigt werden die beiden Autoren durch
Antonio Maria Costa, den Exekutivdirektor des UNO-Buros fur Drogenkontrolle und
Verbrechensverhiitung: .. Drug money saved banks in global crisis, claims UN advisor "
Wer Wolfgang Hetzer, den ehemaligen Referatsleiter im Bundeskanzleramt und heutigen
Abteilungsleiter der europaischen Antikorruptionsbehbrde OLAF in Aktion sehen mbchte, sollte einen
Blick auf Frontal 21 werfen . Das Redemanuskript kann hier nachqelesen werden:
Abbildung: Goldman Sachs Turm in Jersey City gegenuber vom Financial District New York City,
(Quelle: BigMac, via Wikipedia)
Interviewer: In welcher Weise kontrolliert der Money Trust die US-Politik? Welche Mittel befahigen ihn
dazu? Wird all dies rein uber Geld geregelt oder kommen in den beiden Parteien, die sich Ihrer
Meinung ja zumindest in der AuGenpolitik nicht unterscheiden, nur geduldete (oder gar dafiir
„herangeztichtete") Personen in die Top-Positionen? Welche Rolle spielen hierdie Bilderberqer , die
Trilateral Kommission und der Council on Foreign Relations ?
Jochen Scholz: Diese Fragen lassen sich nicht unabhangig voneinander beantworten. Allerdings
wiirde es den Rahmen dieses Interviews sprengen, die Machtausubung des Finanzsektors
erschbpfend zu beantworten. Die genannten Institutionen spielen eine herausragende Rolle. Die
Reihenfolge wiirde ich aber mit Blick auf die USA andern in 1 . CFR, 2. Bilderbergkonferenz, 3.
Trilateral Kommission. Auch hierzu ist eine Fiille von Informationen in der oben angegebenen
Literaturzu finden. Zusatzlich verweise ich auf den einzigen deutschen Soziologen, der uber Eliten in
diesem Kontext forscht und die Frage, wie sie Macht ausuben: Hans- Jiirgen Krysmanski, Universitat
Duisburg C, Wem gehdrt Europa "), der Heise-Online im November 2009 dazu ein zweiteiliges Interview
gegeben hat ( Link 1 / Link 2 )
Abbildung: Secretary of Defense Robert McNamara im Cabinet Room, White House, Washington, DC
(Quelle: Yoichi R. Okamoto, White House Press Office, via Wikipedia)
Die Bilderbergkonferenzen zielen auf die Bindung der europaischen Staaten, besonders der NATO-
Mitglieder unter ihnen, an die im CFR entwickelten Strategien und groften Linien der US-
amerikanischen Politik. Die Trilaterale Kommission ist das Forum, das diesen Kreis um die asiatischen
Staaten erweitert, die sich der US-Dominanz fiigen. Daran ist absolut nichts Geheimnisvolles (auch
wenn die „Bilderberger" durch ihre Abschottungspolitik dieses Image haben). Vielmehr muss man
verstehen, dass besonders in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg uber Jahrzehnte hinweg ein
Grundkonsens und die entsprechenden Netzwerke entwickelt wurden, den „Westen" als den
Taktgeber der Weltpolitik zu etablieren und zu erhalten. Wie das funktioniert, kann analog bei Noam
Chomsky anhand seiner Beschreibung der Funktionsweise der westlichen Medien nachgelesen
werden. Allerdings haben inzwischen tektonische Verschiebungen eingesetzt, die ich oben angedeutet
habe: Wir erleben momentan den Beginn des Herbstes des 1 944 mit dem System von Bretton Woods
etablierten „amerikanischen Jahrhunderts". Der CFR nennt sich selbst bipartisan", umfasst also
Mitglieder beider US-Parteien. Erwird letztlich bestimmt von Rockefeller -lnteressen.
Interviewer: Bush senior spricht von einer „Neuen Weltordnung". Der neokonservative Think Tank
.. Project for the new American Century " gibt ein Papier heraus, in welchem der zweiten Bush -
Reqierunq qeraten wird (Seite 63) ein neues Pearl Harbour wurde den USA helfen, ihre
Vormachtsstellung weiter auszubauen. Worin besteht die Ideologie, welche hinter diesem Streben
steht?
Jochen Scholz: Bush Seniors (die Familie Bush ist von den Rockefellers protegiert worden)
Vorstellung einer „Neuen Weltordnung" entsprang den Veranderungen, die sich aus dem
Zusammenbruch der Sowjetunion ergeben hatten. Vergessen wir nicht: der Ost-West-Konflikt war
uber vierzig Jahre das bestimmende Moment der Weltpolitik. In seinem Schatten standen alle anderen
Konflikte auf der Welt. Nun bot sich aus Sicht der Finanz-, Ol- und Rtistungsoligarchen der USA die
Chance, das zu vollenden, was durch die Existenz der Sowjetunion und ihrer Verbundeten verhindert
worden war: die Ausbreitung einer Wirtschaftsordnung zunachst auf Eurasien (Vgl. .. The Grand
Chessboard " von Zbiqniew Brzezinski) und dadurch auf die gesamte Welt, die den Interessen dieser
Oligarchen dient.
Abbildung: Bush und Schroder im Weissen Haus, 9. Oktober 2001 (Quelle: Paul Morse, White House,
via Wikipedia)
Die Beschwbrung von „Demokratie" und „Herrschaft des Rechts anstatt der Gesetze des Dschungels"
in diesem Video ist nicht mehr als schmiickendes Beiwerk zur Erlangung von Akzeptanz in der
Offentlichkeit. Im Vorfeld des Irakkrieges von 2003 hat dazu der Vatikan in einer offizibsen
Stellungnahme in der Zeitschrift .. Civilita Cattolica " sinngemafc gefragt: „Haben die USA nicht schon oft
mit Unterdriickerstaaten zusammengearbeitet, wenn es ihren Interessen gedient hat?"
Es geht hier nicht um Ideologie, sondern um nackte Machtpolitik zugunsten der Interessen einer
kleinen US-Elite. Diese Elite ist skrupellos genug, fur die Verwirklichung ihrer Ziele die Masse der
eigenen Bevblkerung und die eigene Realwirtschaft zur Geisel zu nehmen. Die anhaltende, von dieser
Elite zu verantwortende Finanz- und Wirtschaftskrise zeigt das uberdeutlich. Einen Uberblick uber den
Zustand der US-Wirtschaft gibt dieser Beitraq von Michael Hudson den man zusammen mit dem oben
bereits erwahnten Essay von Andre Gunder Frank (Meet Uncle Sam Without Clothes) lesen sollte. Fur
MP-3-Fans gibt es hier noch ein Interview .
Der ehemalige stellvertretende Finanzminister unter President Reagan, Paul Craig Roberts, driickt
alles etwas saftiger aus: .. There's Nothing Left to Recover ".
„Es geht nicht um eine Weltregierung, sondern um eine freiwillige
Unterordnung der Vasallen"
Interviewer: Hat jene Elite, welche die USA steuert, vor, eine Weltregierung unter ihrer Kontrolle zu
erschaffen? Wenn ja, wozu? Wer oder was steckt hinter dieser Ideologie einer „Neuen Weltordnung"?
Jochen Scholz: Das habe ich eben zu beantworten versucht. Es geht aber nicht um eine
Weltregierung, sondern im Idealfall um eine freiwillige Unterordnung der „Vasallen" (Brzezinski). Im
Ubrigen dann auch um Institutionen, die eine indirekte Ausubung hegemonialer Herrschaft
ermbglichen. Deswegen gibt es die NATO-Osterweiterung und die Vorstellungen einer „Global NATO"
(z. B. unter Einschluss Australiens, Japans und Neuseelands) oder der .. League of Democracies ", die
die Vereinten Nationen ersetzen sollen. In den Kopfen der Finanzelite(n) scheint daruber hinaus die
Vorstellung einer von ihr (ihnen) abhangigen Welt entwickelt worden zu sein, die sozusagen global-
feudal organisiert ist. Diese Vorstellung diirfte vorlaufig durch die Realitat der Finanz- und
Wirtschaftskrise Makulatur geworden sein. Eine Ahnung von den Denkstrukturen dieser Akteure
vermittelt dieses Interview mit Josef Ackermann und seinem Lehrer Christoph Binswanqer in der FAZ.
Abbildung: Zbigniew Brzeziriski, polnisch-amerikanischer Politikwissenschaftler, gilt neben Henry
Kissinger als graue Eminenz unter den US-amerikanischen Globalstrategen. (Quelle: Kightlinger, Jack
E., via Wikipedia)
Interviewer: 1st es unter diesen Voraussetzungen (Kontrolle der Wirtschaft, der
Massenvernichtungswaffen und der Medien) uberhaupt realistisch an eine neue Weltordnung zu
glauben? Besteht nicht eher die Gefahr, dass diese „Elite(n)" bei ihrem Abgang die Welt mit in den
Abgrund reifcen?
Jochen Scholz: Wie bereits gesagt war diese „Neue Weltordnung" aus der Vorstellung geboren,
nunmehr als einzig ubriggebliebene Supermacht, die militarisch alien anderen Staaten uberlegen war
(und ist), die mit dem Dollar als Weltleitwahrung iiber ein historisch einzigartiges Machtmittel
verfugt(e) und die Institutionen der Weltwirtschaft (IWF, Weltbank, WTO) beherrscht(e), die
Bedingungen bis weit in das 21 . Jahrhundert stellen zu kbnnen. Zunachst ging das ja auch ganz gut
(aus US-Sicht) voran: Russland unter Jelzin hatte sich dem anglo-amerikanischen Wirtschaftssystem
unterworfen und sich durch Verschuldung in totale finanzielle Abhangigkeit vom IWF (und damit der
anglo-amerikanischen Finanzwelt) gebracht, die NATO nahm ehemalige Staaten des Warschauer
Vertrags als Mitglieder auf, der Fremdkbrper Jugoslawien wurde zerschlagen (im Kalten Krieg hofiert,
nun mit seinem spezifischen sozialistischen Ansatz stbrend geworden, weil es sich nicht in das IWF-
Finanzsystem einordnen wollte), China scheinbar dauerhaft in Abhangigkeit vom System „Chimerica".
Siehe hierzu „ The End of Chimerica " (Autoren: Niall Ferguson und Moritz Schularick. Herausgeber:
Harvard Business School) sowie das Video des Vortrags von Niall Ferguson auf dem Carnegie
Council .
DerTraum hielt keine zwanzig Jahre. Putin hat Russland aus der Abhangigkeit vom IWF befreit (der
spekulativ uberhohte Olpreis der Jahre bis 2008 hat ihm dabei geholfen) und das Land schuldenfrei
gemacht. China bereitet sich auf den Ausstieg aus dem Dollarsystem vor. Die Shanghai Cooperation
Organization (SCO) drangt den Einfluss der USA aus Zentralasien zuriick. Die Welt ist auf dem Weg,
sich nichtpolar zu organisieren. Die US-Eliten haben die Welt in der Tat bereits durch die von ihnen
verursachte Wirtschaftskrise an den Rand des Abgrunds gebracht und es steht nicht zu erwarten,
dass sie ihre Machteinbufte ohne weiteres akzeptieren. Umso mehr kommt es darauf an, dass dieser
Wandlungsprozess unter Beteiligung aller relevanten Akteure organisiert wird. Den wirtschaftlich
starken Staaten kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Ich habe schon gesagt, dass die EU
hierbei leider bisher keine zukunftsweisende Rolle einnimmt. Unterwurfige Briefe osteuropaischer
Intellektueller und ehemaliger Politiker an die neue US-Regierung sind nicht nur peinlich, sondern in
diesem Zusammenhang auch dumm (siehe hierzu: An open letter to the Obama administration ).
„Die USA haben sich sehr weit von ihren Verfassungsidealen
entfernt"
Interviewer: Im britischen „Guardian" stand, dass die USA auf dem Weg zum Faschismus schon
relativ weit fortgeschritten sind. Wie sehen Sie das?
Jochen Scholz: Ich bin mit dem Begriff „Faschismus" vorsichtig, weil er fur mich zu unscharf und
auch historisch besetzt ist. Zweifellos haben sich die USA schon sehr weit von ihren
Verfassungsidealen entfernt, die fur Millionen von Emigranten und Einwanderern der Grund waren, in
den Vereinigten Staaten Zuflucht zu suchen. Ideale, fur die Namen wie Thomas Jefferson oder
Alexander Hamilton stehen, was nicht zuletzt von unseren wirklichen Verbundeten, der US-Friedens-
und Biirgerrechtsbewegung, nachdrucklich angeprangert wird. Die Stichworte sind: Legalisierung der
Folter fur Terrorismusverdachtiqe , Guantanamo , Patriot Act , Department of Homeland Security ,
Beseitigung des geltenden Volkerrechts. Dazu auch der Brief von Willy Wimmer , CDU, an den
Bundeskanzler aus dem Jahr 2000.
Abbildung: Guantanamo Camp X-Ray (Quelle: Defenselmagery, via Wikipedia)
Er ist auf Seite 7 als Faksimile abgedruckt und lost auch das fur viele bis heute bestehende Ratsel,
aus welchen Grunden die USA den Krieg gegen Jugoslawien gefuhrt, und warum die europaischen
NATO-Staaten mitgemacht haben: Es ging um die Ausdehnung des US-Einflusses nach Osten. Die
EU hatte ihrerseits das Interesse, diesen halbsozialistischen Fremdkbrper aus dem Weg zu raumen,
der sich weigerte, sich den Prinzipien des Washington Consensus zu unterwerfen. Wie man heute
sehen kann, hat sich aus Sicht der EU das Zerlegen Jugoslawiens in Einzelteile gelohnt. Die fruheren
Teilrepubliken und jetzigen souveranen Kleinstaaten erhalten nach und nach eine Beitrittsperspektive
und werden zur verlangerten, peripheren Werkbank der Union. Die sich als Eliten verstehenden Teile
dieser Staaten werden davon profitieren, die Normalburger eher nicht. (Siehe auch weiter unten).
Abbildung: Guantanamo („Gitmo") - Insassen bei ihrer Ankunft im Januar 2002 (Quelle: Shane T.
McCoy, U.S. Navy, via Wikipedia)
Zuriick zur eigentlichen Frage.
Auch die Entscheidung Obamas, diesen Herrn als „Wissenschaftszar" einzusetzen, der hier fur soziale
Euqenik pladiert, ist fur mich ein Zeichen fur die Gefahr, dass sich die USA nunmehr auch im Inneren
zu einem Staat entwickeln, dessen „Eliten" rucksichtslos ihre Interessen verfolgen, und die mit der
Gemeinwohlorientierung der Grundervater gebrochen haben.
Interviewer: Inwieweit hat der Machtwechsel der doch sehr an Privatisierung und damit Bereicherung
interessierten Clique um Boris Jelzin zu Putin die USA zu einem Kurswechsel in ihrer Ostpolitik
gezwungen? Und wenn, wie sieht der aus?
Jochen Scholz: Ich gehe hier zunachst noch etwas weiter: Jelzin war der Mann der US-lnteressen.
Er hat die sogenannte .. Schocktherapie " bei der Umwandlung der Planwirtschaft in eine kapitalistische
Marktwirtschaft durch die nach den Prinzipien des Washington Consensus (damit wird die neoliberale
bkonomische und gesellschaftliche Ideologie bezeichnet. Bei Michel Chossudovsky (.. Global Brutal '"),
Egon Matzner (.. Monopolare Weltordnung ) sowie John Gray (.. Die falsche VerheiRung ") sehr
ausfuhrlich dargelegt)) vorgehenden „Chicago Boys" unter Fuhrung des obersten bkonomischen
Beraters Jeffrey Sachs zugelassen.
Abbildung: Jeffrey Sachs, Okonom (Quelle: Eikyu, via Wikipedia)
Fur diese bkonomische Denkschule war Russland unter Jelzin ein ideales Experimentierfeld. Insofern
konnte er z. B. auf dem Balkan die russischen Interessen nicht mehr wahren. Putin hat hier in der Tat
fur ein Ende der Ausplunderung des Landes durch die zum Teil stark mit US-lnteressen verbandelten
Oligarchen (z. B. im Olsektor) gesorgt. Der uberwiegend durch Spekulation hochgetriebene 01- und
Gaspreis ist ihm dabei, wie gesagt, zugute gekommen. Putin hat Russland vom Hauptknebel befreit
und alle Auslandsschulden beglichen. Einen Kurswechsel sehe ich nicht. Nach wie vor ist es das Ziel
amerikanischer Geopolitik, Eurasien zu beherrschen.
„Das Ziel amerikanischer Geopolitik ist, Eurasien zu beherrschen"
Diesem Ziel steht Russland im Weg. Mit seiner Reaktion auf den georgischen Angriff vor einem Jahr
hat Russland aber deutlich gemacht, wo die Schmerzgrenze liegt und zugleich die USA in dieser
Region quasi zum „Papiertiger" gestempelt. Die neue US-Regierung wird die Methoden andern, die
neue Auftenministerin nennt das „smart power". In diesem Zusammenhang sehe ich auch die
Riicknahme der Stationierungsabsicht von Teilen des globalen Raketenabwehrschirms in Polen und
Tschechien. Die weitere Ausdehnung der NATO bis in zentralasiatische Lander steht nach wie vor auf
dem Programm. Vor lllusionen uber die Ziele der US-Eliten auf dem eurasischen Kontinent kann ich
auch nach der nunmehr verkundeten Aufgabe der landgestutzten Raketenabwehr in unseren beiden
Nachbarstaaten nur dringend warnen. Das hat nichts mit Abrustung oder Rucksichtnahme auf
russische Sorgen zu tun. Rick Rozoff hat dazu jiingst zwei Artikel (siehe hier sowie hier ) verbffentlicht,
smart power eben. Und wir sehen ja, was derzeit in Rumanien passiert . Wir Europaer sind hoffentlich
smarter.
Interviewer: Sie erwahnen den Raketenabwehrschirm und das damit verbundene Droh- und
Erpressungspotenzial, und andererseits, dass die USA der Welt in der Vergangenheit vermittelt
haben, „schafft euch Atomwaffen an, damit wir uberhaupt mit euch reden (miissen)". Ist unter diesem
Aspekt eine Weltherrschaft uberhaupt noch mbglich?
Jochen Scholz: Zum Raketenabwehrschirm unter dem Rubrum „Global Missile Defense" und seinem
eigentlichen Zweck verweise ich auf zwei Artikel von Keir A. Lieber und Daryl G. Press: „ The End of
MAD " (Mutual Assured Destruction) und „ The Rise of U.S. Nuclear Primacy ".
Meine Bemerkung verstehe ich als Metapher fur die Art und Weise, wie die USA geradezu das
provozieren, was sie aus Eigeninteresse eigentlich verhindern mussten. Wenn man ihre Politik
gegenuber Iran einerseits und Nordkorea andererseits vergleicht, wird deutlich, was ich meine. Von
der - ohnehin - anspruchsvollen Entwicklung einer Atombombe bis zu einsatzfahigen Systemen, die
eine reale Gefahr fur die USA darstellen konnten, ist es aber ein sehr weiter Weg. Wenn die US-Politik
gegenuber einem Staat wie Nordkorea vorsichtiger agiert, als gegenuber einem Nicht-Nuklearstaat, ist
dies den antizipierten regionalen Auswirkungen wegen der geostrategischen Lage Nordkoreas
geschuldet.
„Das Endziel amerikanischer Geopolitik ist, Russland auf Kurs zu
bringen"
Interviewer: Laut Ihrer strategischen Einschatzung ist das „Endziel" der US-Eurasien-Politik,
Russland „auf Kurs" zu bringen. Wurden die aufstrebenden Machte China - und nicht zu vergessen
Indien mit seiner Bevblkerungsexplosion - von den USA unterschatzt?
Jochen Scholz: Meine Einschatzung kommt ja nicht aus dem hohlen Bauch, sondern resultiert aus
dem Vergleich zwischen nachlesbaren Konzepten ( Brzezinski und die „ War and Peace Studies " 1939
bis 1945 als Beispiele) und der realen Politik der USA seit Ende des Ersten Weltkriegs. Allein Zahl und
Dislozierung von uber 800 Militarstutzpunkten weltweit sprechen fur sich.
Abbildung: F-117 Nighthawk Tarnkappenbomber (Quelle: Regierung der Vereinigten Staaten von
Amerika, via Wikipedia)
China und Indien sind durchaus im Fokus der US-Politik. Im Fall China war wohl die Strategie, das
Land bkonomisch so mit der US-Wirtschaft zu verflechten, dass der Rivale neutralisiert wurde
(„Chimerica"). Dies ist offensichtlich gescheitert: Siehe die Forderungen Chinas nach einer neuen
Weltleitwahrung und das Vorantreiben der SCO , um nur zwei Beispiele zu nennen. Indien wird nach
dem Motto „teile und herrsche" einerseits in eine strategische Partnerschaft gelockt und andererseits
gegen Pakistan und China instrumentalisiert. Eine Unterschatzung sehe ich weniger mit Blick auf die
Bevblkerung, sondern hinsichtlich des Eigeninteresses der erwahnten Staaten und deren politischer
Intelligenz, die auf Tausenden von Jahren Hochkultur basiert. Brzezinski lasst ubrigens in seinem
junqsten Interview auf RealNews (3 Teile) erkennen, dass er hinsichtlich der von ihm seit Jahrzehnten
angestrebten Rolle der USA resigniert.
Abbildung: Jochen Scholz (Quelle: privat)
Interviewer: Niels Harrit behauptet, Sprenqstoff im Staub des World Trade Center gefunden zu
haben. In Ihrem Interview behaupten Sie, dass das Fluqabwehrsvstem von hoher Stelle daran
qehindert worden sein muss, die Flugzeuge abzufangen, die WTC und Pentagon anflogen. Sie sind
einer der Hauptdarsteller im Film „ Unter falscher Flaqqe ". Denken sie wirklich, es war eine False Flag
Operation, und die USA haben ihren ..Reichstag" qeschaffen ?
Jochen Scholz: Den Filmtitel habe ich nicht ausgesucht. Es ist aber vdllig ausgeschlossen, dass sich
mehrere Flugzeuge uber einen Zeitraum von mehr als zwei Stunden im Luftraum der USA
unkontrolliert und ohne Gegenreaktion nicht nur bewegen, sondern auch ungestort quasi als Waffen
eingesetzt werden kdnnen. Das in alien Luftwaffen der NATO-Staaten nach denselben Prinzipien
organisierte System der Luftraumkontrolle, .. air policing " genannt, wurde von den USA iibernommen
und mit dem Ende des Kalten Krieges auch nicht abgeschafft.
„ln Sachen 1 1 . September warte ich seit 9 Jahren auf eine
Erklarung, warum das Selbstverstandliche nicht geschehen ist"
Es funktioniert seit Jahrzehnten zuverlassig nach dem Muster von Feuerwehr- oder Notarzteinsatzen
und wird in der NATO regelmaftig evaluiert und geiibt. Also ohne Befehlshierarchien bis zum Moment
der Entscheidung, was zwei nach diesem System neben dem aufzuklarenden Objekt fliegende
Abfangjager zu tun haben, wenn dessen Pilot auf deren Zeichen nicht reagiert. Kein Abfangjager ist
auch nur in die Nahe der vier Zivilmaschinen gekommen. Das sind die Fakten, aus denen jedermann
seine Schlusse Ziehen kann. Ich warte seit neun Jahren auf eine uberzeugende Erklarung, warum das
Selbstverstandliche nicht geschehen ist. An alien anderen von Ihnen erwahnten Debatten beteilige ich
mich nicht.
Abbildung: Das Pentagon nach dem 911 Angriff (Quelle: U.S. federal government, via Wikipedia)
Interviewer: Sie und andere Leute sprechen davon, dass die Anschlage des 1 1 .9. nicht ohne die
Mithilfe „eines gewieften Geheimdienstes" moglich gewesen waren. Kbnnen Sie naher darauf
eingehen?
Jochen Scholz: Ich habe keine Expertise auf diesem Gebiet, jede Aufierung ware daher Spekulation.
Ich warne auch davor, sich daruber zu ereifern, wie es gewesen sein kbnnte und uber diese Frage
Glaubenskampfe zu fuhren. Denn das kbnnen zwangslaufig nur Glaubenskampfe sein. Worauf es
ankommt, ist vielmehr, die Beweise von der amerikanischen Regierung fur ihre Version des
Tathergangs einzufordern.
Interviewer: Barack Obama gibt vor, die Politik der USA einem radikalen Wandel zum Guten hin zu
unterziehen. Dabei besteht ein grower Teil seiner Regierung aus Wall Street Bankern, Mitglieder des
Council on Foreign Relations, der Bilderberger sowie der Trilateralen Kommission. Auch kundigt er an,
Menschen ohne Gerichtsverhandlung, ohne, dass sie etwas getan haben, nur auf Basis der
Einschatzung, sie kbnnten etwas verbrechen, jahrzehntelang hinter Schloss und Riegel zu stecken . Ist
Obama wirklich der versprochene Heilsbringer? Welche Vorteile haben die USA vom so genannten
Krieg gegen den Terror? Wo liegen die Grunde fur / die Vorteile der Beschneidung von Rechten und
Freiheiten fur Burger und Medien?
„Obama hat sich mitder Ankiindigung der Prolonged Detention
selbst entzaubert"
Jochen Scholz: Dass ein Afroamerikaner President geworden ist, hat naturlich fur die amerikanische
Bevblkerung eine Bedeutung, die wir in Europa gar nicht ermessen kbnnen. Ob die damit erhofften
Verbesserungen eintreten, wage ich zu bezweifeln. Wenn ein ehemaliger Rechtsprofessor eine
.. Prolonged detention " fur nicht uberfuhrte Terroristen in Ubereinstimmung mit der Verfassung (sic!)
ankundigt, hat er sich bereits selbst entzaubert. Die Beschneidung der Burgerrechte dient demselben
Zweck wie in Deutschland: Einschuchterung und Vorbereitung auf den Fall, dass sich die Bevblkerung
eine auf Dauer angelegte Trennung in Oben und Unten nicht langer gefallen lasst. Das ist ja auch
einer der Grunde, warum die „Europaer" unter unseren Politikern so aufgejault haben nach dem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon bzw. Begleitgesetz. Nun ist ihrem
Vorhaben, das Grundgesetz auf kaltem Weg zu beseitigen (durch den schleichenden Bau eines
europaischen Bundesstaates mit dem Europaischen Gerichtshof als rechtliche Letztinstanz), ein
Riegel vorgeschoben worden. Ich meine das speziell mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des Artikel
20 , der durch Artikel 79 Absatz 3 (..Ewiqkeitsklausel") einer Verfassungsanderung nach den
Bestimmungen des GG entzogen ist und auf Artikel 20 Absatz 4.
Der „Krieg gegen den Terror" ist von Michael Meacher, dem britischen Umweltminister im Kabinett
Blair (1 997 bis 2003) als „bogus", also Vorwand, bezeichnet worden (Guardian, 6. September 2003,
.. This war on terrorism is bogus "). So ist es. Er ersetzt nach dessen Wegfall das Feindbild
Kommunismus bzw. Sowjetunion.
Abbildung: Josef Stalin auf einer DDR-Briefmarke (Quelle: Deutsche Post der DDR / als
Rechtsnachfolgerin Deutsche Bundespost, via Wikipedia)
Das Feindbild ist notig, um die verbiindeten „Vasallen" (Brzezinski) bei der Stange zu halten. Diese
Bemerkung beziehe ich naturlich nicht auf die Regierungen und gesellschaftliche „Eliten", das hiefie
ja, deren Intelligenz zu unterschatzen. Feindbilder dienen vielmehr dazu, die Politik gegentiber der
Bevblkerung zu legitimieren, indem man deren zwangslaufiges Informationsdefizit ausnutzt. Lassen
Sie mich noch auf einen Aspekt eingehen, derverdeutlicht, dass Obama kein aufienpolitischer
Heilsbringer ist: Er hat Richard Holbrooke, den Duzfreund unseres griinen Ex-Auftenministers, als
Sonderbeauftragten fur „AfPak" nominiert. Dessen Rolle bei der Orchestrierung des NATO-Angriffs auf
Jugoslawien und bei der Niederschlagung des Aufstandes in Osttimor 1975 ist ein untrugliches Indiz
fur die Ausweitung des bisher uberwiegend auf Afghanistan beschrankten Krieges. Willy Wimmer
schrieb in diesem Zusammenhang kurzlich: Nach den Erfahrungen mit Herrn Holbrooke im Vorfeld
und wahrend des Jugoslawien-Krieges kann man mit Fug und Recht sagen: Wo Richard Holbrooke
draufsteht, ist Krieq drin . Die nachste Runde in diesem vorgeblichen „Krieg gegen den Terror" wird
nun vom Trager des Friedensnobelpreises im Jemen eingelautet. Ein Schelm, wer dabei an die Zange
denkt, mit der der Ol- und Warentransport nach Asien und Europa in der engen, zwischen Somalia
und dem Jemen gelegenen Wasserstrafte Bab-el-Mandeb kontrolliert werden kann. Der indische Ex-
Diplomat M K Bhadrakumar ist so ein Schelm.
Abbildung: Die zwischen Somalia und dem Jemen gelegene Wasserstralie Bab-el-Mandeb, am Horn
von Afrika (Quelle: Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, via Wikipedia)
„Die Regierungen der Welt werden die Macht erst wieder
zuriickerlangen, wenn sie den Finanzsektor zur Rason bringen"
Interviewer: Der Grundstein fur den Transfer der Kontrolle uber das Geld - und damit die Kontrolle
uber die Macht -wurde 1913 mit der Grundunq der FED qeleqt. Diese Institution entzieht sich
staatlicher Kontrolle. 1971 wurde Bretton Woods aufcer Kraft gesetzt. Dies bedeutete die Abkopplunq
vom Goldstandard unserer Leitwahrunq , des Dollars. Seitdem explodieren weltweit die Preise sowie
die Staatsschulden der Lander. Wenn also die kleine Elite die Kontrolle uber die US-Regierung und
ihre Vasallen, die Weltleitwahrung, die Weltbank und die Freihandelszonen hat, welche Macht haben
dann die Regierungen der Lander dieser Welt?
Jochen Scholz: Das lasst sich mit einem Satz beantworten: Die Regierungen werden erst dann
wieder die Macht haben (die ihnen demokratisch auf Zeit vom Souveran ubertragen worden ist, um
das Gemeinwohl zu befbrdern), wenn sie ihre geballte Intelligenz und exekutiven Mbglichkeiten gegen
die Geldmacht ausspielen und rucksichtslos durchsetzen. Davon sind wir aber meilenweit entfernt, wie
das tete a tete der Bundeskanzlerin mit dem Derivateintensivtater Ackermann zu dessen 60.
Geburtstag zeigt;
Oder der Goldman-Sachs-Banker Alexander Dibelius, der mafcgeblichen Einfluss auf die Desaster-
Entscheidung von Daimler Benz genommen hatte, Chrysler zu ubernehmen und auf qeradezu rotziqe
Weise die Verantwortung der Privatbanken fur das Gemeinwohl ablehnt. So als gabe es den
Grundgesetzartikel 14 Absatz 2 nicht. Da kann ich nur sagen: Artikel 15 anwenden.
Wer „ too big to fail " ist, sich also mit seiner „Systemrelevanz" brustet, muss schlicht und einfach
zurechtgestutzt werden. Das Bankgeschaft „muss wieder langweilig" gemacht werden, sagt der
amerikanische Okonom Paul Krugman. Mit anderen Worten: Es muss auf seine fruhere Kernfunktion
fur die Realwirtschaft zuruckgeftihrt und der Casinobetrieb muss geschlossen werden, wie dies auch
Helmut Schmidt fordert.
Dundtiarehiv, Ejld 13a.P073D.D33
Fcto: Den*ne. Dlelt* 1 3D Juh S9T3
Abbildung: Erich Honecker und Helmut Schmidt 1975 (Quelle: Demme, Dieter, Deutsches
Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-P0730-033), via Wikipedia
Interviewer: In welcher Weise kbnnen Wirtschaftskrisen wie die derzeitige Finanzkrise , die ja ein
Grund fur die Abwahl der Republikanerwar, den Machten hinterden Kulissen doch noch von Nutzen
sein? Oder ist es nicht mehr als ein Ruckschlag gewesen (uneingeplant, aber korrigierbar)?
Jochen Scholz: Entgegen der Legende von den Millionen US-Burgern, die mit kleinen Einzelspenden
Obamas Wahlkampfbudget bestritten hatten, waren dies die grofien Banken der Wall Street. Deren
Position ist durch die Besetzung der wichtigsten Regierungsamter mit Leuten wie Timothy Geithner
und Larry Summers sogar erheblich gestarkt worden. Sie waren es, die unter der Prasidentschaft von
Clinton Ende der 1990er Jahre die letzten Hiirden fur den Casinobetrieb beiseite geraumt hatten.
Paradebeispiel: Abschaffung des Glass Steagall Act aus dem Jahr 1933 und die Verabschiedung des
Commodity Futures Modernization Act of 2000 , der vorsieht, dass die sogenannten »Over the
Counter« (OTC), d.h. auUerbbrslich gehandelten, Finanzderivate nicht unter die
Regulierungsmaftnahmen der US-Regierung Helen (z. B. Credit Default Swaps '). Und nun melken sie
die US-Steuerzahler und bitten sie fur das vorsatzlich herbeigefuhrte Desaster zur Kasse. Die
Rechnung wird allerdings nicht aufgehen, weil der „Chimerica-Golfstrom" von den Uberschusslandern
wie China nicht mehr angetrieben werden wird und damit das alte Spiel nicht wieder aufgenommen
werden kann. Mittelfristig wird sich zeigen, dass die Finanzoligarchie uberreizt hat, auch wenn bereits
wieder kraftig gezockt wird. Denn, siehe oben, das Spiel in diesem MaUstab war nur vor dem
Hintergrund des Dollars als Weltleitwahrung und des Systems „Chimerica" moglich.
„Der Steuerzahler steht mit realem Geld gerade fur heifle Luft, mit
welcher riesige Gewinne fur Privatbanken eingefahren wurden"
Interviewer: Uberall wird geschrieben, die Werte seien in der Finanzkrise „in einem grolSen
schwarzen Loch" verschwunden. Jedoch verschwinden solche Vermogen nicht einfach. Was ist mit
den Billionen passiert?
Jochen Scholz: Von den Zahlen der Bank fur Internationalen Zahlunqsausqleich (BIZ) darf man sich
nicht blenden lassen. Sie fiihrte in ihrer Statistik vom Dezember 2008 weltweit den Nominalwert von
863 Billionen Dollar (= 863.000 Milliarden) an Derivaten. Dies waren jedoch keine realen Vermogen,
sondern fiktive, denen iiberwiegend Schulden zugrunde lagen. Das ist schon daraus zu entnehmen,
dass es sich hierbei um etwa das 15-fache des Welt-Bruttoinlandsprodukts handelte. Als die Blase
platzte und das Schneeballsystem kollabierte, weil niemand mehr in den Schrott investierte (vor allem,
weil dafur keine Kredite mehr zu erhalten waren) entwich die Luft. Die Bilanzen der Banken, die sich
am Casino beteiligt haben, sind aber nach wie vor, trotz riesiger „bail-outs", hoch mit diesen vor der
Krise als Aktiva gefuhrten Luftnummern belastet, und unter dem Strich sind sie insolvent (auch wenn
dies mit Bilanzierungstricks verschleiert werden soil). Von daher kommt ja die Debatte um Bad Banks.
Das ist ja das Skandalose an den „Rettungsmaftnahmen" fur die Banken: Der Steuerzahler steht mit
realem Geld gerade fur heilie Luft, mit der gleichwohl lange Zeit riesige Gewinne eingefahren wurden,
und die Geldalchimisten wie Ackermann haben nichts anderes im Sinn, als an den Spieltisch
zuriickzukehren. Dazu sollte man auch wissen, dass er Vorsitzender des .. Institute of Internnational
Finance " ist, einer internationalen Vereinigung von inzwischen 370 Banken, Versicherungen und
anderen im Finanzsektor operierender Einrichtungen.
Abbildung: Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank AG (Quelle: Marcello Casal
jr./ABr, Link, via Wikipedia)
Interviewer: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass trotz der Krise partei- und nationentibergreifend
nur tiber die Rettung des Systems diskutiert wird? Warum gibt es keine visionaren Ideen, die Krise als
Chance fur Veranderungen zu nutzen?
Jochen Scholz: Es gibt durchaus Ideen, die allerdings gar nicht so visionar sind, sondern auf ganz
praktischen Erwagungen beruhen. Der bereits erwahnte Michael Hudson pladiert dafiir, das
Kreditwesen zu einer „public utility", also einer bffentlichen Aufgabe zu machen. Welche Krafte dem
entgegenstehen und welche skrupellosen Mechanismen sie anwenden, kann jedermann spatestens
seit dieser Krise sehen. Was fehlt, ist der politische Wille, so etwas umzusetzen. Das wiederum hangt
nicht zuletzt auch von den Wahlern ab. Auch Vorschlage zu einer generellen Streichung aller
Schulden nach antikem, babylonischem Vorbild waren im Gesprach (Michael Hudson (siehe hierzu
Link 1 sowie Link 2) und der italienische Finanzminister Giulio Tremonti). Der bsterreichische Okonom
Kunibert Raffer hat ein Konzept fur ein rechtsstaatlich einwandfreies Internationales
Insolvenzverfahren in Anlehnung an das sog. Chapter 9-Verfahren fur amerikanische Kommunen oder
reqionale Verwaltunqseinheiten entwickelt .
Aufterdem hat Helmut Schmidt im Januar in der ZEIT bemerkenswerte Vorschlage gemacht, wie der
Finanzsektor zu bandigen ware. Diese Vorschlage sind dann von der Fraktion DIE LINKE in den
Bundestag eingebracht und selbstredend abgelehnt worden.
„Die USA haben Westdeutschland als Besatzer nach dem 2.
Weltkrieg sehr anstandig behandelt"
Interviewer: Sie weisen selbst darauf hin, dass in der Bundesrepublik Kritik an den USA unerwunscht
ist? Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass selbst eine Politiker-Generation, die den 2. Weltkrieg
nicht mehr erlebt hat, immer noch darauf verweist, wie dankbar wir den USA fur die Befreiung vom
Nationalsozialismus sein miissen? (Und warum gilt das nicht auch fur Russland, das einen noch
hbheren Blutzoll zu tragen hatte?)
Jochen Scholz: Das hangt mit den besonderen Bedingungen der alten Bundesrepublik im Kalten
Krieg an der Nahtstelle der beiden Blbcke zusammen. Die USA wurden als Besatzer wahrgenommen,
die Westdeutschland sehr schnell nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in die Staatengemeinschaft
aufgenommen haben - also so etwas wie eine kollektive Entlastung der Deutschen vornahmen - sie
haben uns die Demokratie gebracht und das unter den Nazis kulturell und geisteswissenschaftlich
verarmte Deutschland wieder an die internationalen Standards herangefuhrt. Vergessen Sie den
Marshall-Plan nicht, der dem europaischen wirtschaftlichen Wiederaufstieg zugrunde liegt. Ein kleines
Beispiel aus meiner Jugend. Wahrend die deutschen Rundfunksender noch dem Schlagerkitsch der
Nazizeit verhaftet waren, haben wir Schuler begeistert den US-Soldatensender AFN gehbrt mit seinen
so ganz anderen Moderatoren, locker, witzig und frech, und naturlich die Musik: Frank Sinatra, Bill
Haley, Elvis Presley und der Jazz.
Abbildung: Der amerikanische Jazz-Pianist Oscar Peterson, Munchen 1977 (Quelle: Hans Bernhard,
via Wikipedia)
Nicht zu vergessen: Die USA haben Westdeutschland als Besatzer sehr anstandig behandelt.
Amerikanische Hilfsorganisationen, alien voran die Quaker , haben hunderttausende von Hilfspaketen
geschickt, die die Grundlage der sog. Schulspeisung im Nachkriegsdeutschland waren. All das hat zu
einer positiven Grundstimmung gegenuber den USA beigetragen, und auch ich persdnlich bin den
USA dankbar, dass ich unter diesen Bedingungen aufwachsen durfte. Nur darf man eben dabei nicht
aufter Acht lassen, dass dies nicht aus Altruismus geschah, sondern weil die alte Bundesrepublik aus
strategischen Gesichtspunkten gebraucht wurde und auch das westliche Schaufenster nach Osten
war: Seht her, so gut kdnnte es euch auch gehen.
Dass Amerika auch ganz anders konnte, haben dann die Ereignisse in Lateinamerika gezeigt,
besonders das Vorgehen 1973 gegen den sozialistischen Prasidenten von Chile, Salvador Allende.
Hinzu kommt, dass es die USA verstanden haben, von Anfang an ein transatlantisches Netzwerk
aufzubauen, das in Politik, Wissenschaft, Medien, der Bundeswehr und besonders auch in der
Finanzwirtschaft bis heute tragfahig ist.
Einer der hervorragenden Vertreter dieser mit dem Fachbegriff Noopolitik bezeichneten Einflusspolitik,
Joseph S. Nye, qibt hier eine Kostprobe, wie sie funktioniert. Man beachte besonders seine
Ausfiihrungen zur „dritten Dimension dffentlicher Diplomatie" und hat die Antwort auf die Frage,
warum „wir ihnen(den Deutschen) im Mark stecken", wie ein amerikanischer Botschafter zitiert wird.
Die Sowjetunion als der eigentliche Befreier vom Nationalsozialismus hatte sich spatestens mit der
Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 so diskreditiert, dass sie bis zur Ara Gorbatschow nur
noch negativ wahrgenommen wurde.
Interviewer: Sie sprechen Putin, Chavez und ihre Verhinderung der Privatisierung (oder gar
Amerikanisierung) der Ol- und Gasquellen ihrer Lander an. Ist es US-Ziel, einen weltweiten „Corporate
Totalitarismus" zu erreichen?
Jochen Scholz: Ich bin kein Anhanger der Totalitarismus-Theorie, kann dies hierjedoch nicht
vertiefen. Ziel der amerikanischen Politik ist es aber, (iber die Kontrolle der Energiestrdme die
wirtschaftliche Entwicklung ihrer Konkurrenten zu beeinflussen. Das zweite Ziel, mit Hilfe des auf dem
Dollar, auf den Bretton-Woods-lnstitutionen (hier besonders der IWF) und der von den USA gesetzten
Standards das internationale Finanzsystem zu beherrschen, kann m. E. nach den dramatischen
Ereignissen der letzten beiden Jahre nicht mehr erreicht werden. Daran wird auch die imposante
Militarmaschinerie nichts andern kdnnen.
Abbildung: Hugo Chavez, Staatsprasident von Venezuela (Quelle: Agenda Brasil, via Wikipedia)
Interviewer: Sie hatten den Rang, in der NATO an Entscheidungsfindungen zum „Balkankrieg"
teilzunehmen und kommen zu dem Schluss, dass Kriege wie z.B. Juqoslawien designed wurden und
immer noch werden, lange bevor Politiker daruber entscheiden geschweige denn die Offentlichkeit
davon informiert wurden und werden. Wer plant so etwas?
Jochen Scholz: Das stimmt so nicht, weil ich ab 1998 erstens keine NATO-Aufgaben mehr
wahrgenommen habe und zweitens auch zuvor nicht in Bereichen tatig war, die mit diesen
Entscheidungen befasst waren. Ich hatte lediglich das Gliick, in den letzten beiden Jahren meinerZeit
im Bundesministerium der Verteidigung Zugang zu alien relevanten Informationen zum Thema Balkan
zu haben. Ihre Frage impliziert im Ubrigen, dass die Politik durch von militarischen Planern
geschaffene Fakten quasi genbtigt werden kbnnte. Dies ist nicht der Fall. Die militarischen Planungen
des NATO-Hauptquartiers fur einen Luftkrieg gegen Jugoslawien sind im Gegenteil von der Politik
angeordnet worden und waren in der Tat der Offentlichkeit nicht bekannt. Trotzdem hatte sich die
Politik naturlich anders entscheiden konnen. Dies war jedoch nicht gewollt, weil die strategischen
Interessen von EU und NATO (und die deutschen) bestens zueinander passten.
Interviewer: Gehen Sie davon aus, dass Irak und Afghanistan ebenfalls lange vorher geplant
wurden?
Jochen Scholz: Dafur liegen inzwischen eine Menge handfester Beweise vor. Aber auch hier gilt das
oben Gesagte.
„Klarheit iiber den 11. September 2001 wird es erstdann geben,
wenn eine unabhangige Untersuchungskommission ihre
Ergebnisse vorgelegt hat"
Interviewer: Gehen Sie soweit, zu sagen, dass der 1 1 . September ein Teil dieses Planes war?
Jochen Scholz: Nein. Klarheit uber den 1 1 . September 2001 wird es erst dann geben, wenn eine von
vielen amerikanischen und internationalen Politikern, wie Michael Meacher und Yukihisa Fujita
geforderte unabhangige Untersuchungskommission ihre Ergebnisse vorgelegt hat. In diesem
Zusammenhang verweise ich auch auf ein bemerkenswertes Interview mit Dieter Deiseroth, Richter
am Bundesverwaltungsgericht.
Unbestreitbar ist 9/1 1 aber der Bezugspunkt der US-Politik von Afrika bis zu Zentralasien und deren
Legitimierungsgrundlage bis heute.
Interviewer: Wenn wir mal verknupfen: Welches Interesse hatte denn diese kleine Elite an diesen
Kriegen?
Jochen Scholz: Das ist am besten bei Zbigniew Brzezinski ( The Grand Chessboard) und im Papier
von Paul Wolfowitz, Rebuilding America's Defenses nachzulesen. Es geht um die Kontrolle des
eurasischen Kontinents und Einhegung aller, die diesem Vorhaben im Wege stehen konnten.
Abbildung: Paul Wolfowitz am 19. September 2001 , dem deutschen Aussenminister Joschka Fischer
auf seine Fragen zum 11. September 2001 antwortend (Quelle: R. D. Ward., via Wkipedia)
Der von mir otter Erwahnung findende ehemalige indische Diplomat M K Bhadrakumar sieht auch die
amerikanische Wendung in Afghanistan hin zu einer Wiedereinbindung der Taliban unter diesem
Gesichtspunkt, namlich als qeqen China qerichtet .
Interviewer: 1st es Ihrer Erfahrung nach uberhaupt mbglich, in der NATO, der ja viele Nationen
angehbren, einen Entschluss gegen die Supermacht USA zu treffen oder eine Entscheidung der USA
abzulehnen?
Jochen Scholz: Die NATO ist ja keine supranationale Einrichtung, sondern ein Bundnis souveraner
Staaten, dessen Beschlusse einstimmig gefasst werden. Insofern muss man nurden Mut (und
naturlich die Argumente) haben, den Vereinigten Staaten zu widersprechen. Ich persbnlich verlange
dies auch von meiner Regierung, wenn es um Entscheidungen geht, die unserer Verfassung zuwider
laufen oder unseren Interessen oder wenn gar beides der Fall ist.
Es gibt nach Artikel 20 Absatz 3 ubrigens fur die Politik kein Handeln aufterhalb des Rechts. Karl
Feldmeyer, der langjahrige Redakteur der FAZ (Verteidigungspolitik), schrieb dazu im Jahre 2002:
<Was andernorts als „praemptive Intervention" bewertet werden mag, kann sich in den Augen der
Deutschen als Angriff ausnehmen und den verbieten UN-Charta und Grundgesetz.... Fur diese
Haltung brauchen sich die Deutschen nicht zu entschuldigen, schon gar nicht bei ihren Verbundeten,
die einst Opfer deutscher Angriffe waren. (FAZ v. 23.1 1 .2002)
Der Vorstofc von Verteidigungsminister zu Guttenberg, das Einstimmigkeitsprinzip in der NATO als
eine .. qepfleqte Absurditat " zu kippen ist funferlei: erstens eine grobe Verletzung der Souveranitat der
Mitgliedslander; zweitens dient erder propagandistischen Uberzeichnung heutiger realer
sicherheitspolitischer Gefahren, die ja alle nicht mit militarischen Mitteln zu Ibsen sind; drittens spielt er
damit die permanente Bedrohung durch einen Atomkrieg zwischen 1945 und 1990 herunter, als
gleichwohl niemand auf diese absurde Idee gekommen ware; viertens istsein Vorstofc sozusagen
vorauseilender Putativ-Gehorsam gegenuber einer Fuhrungsmacht (die sich niemals dem
Mehrheitsprinzip unterwerfen wiirde, siehe Vetorecht im UN-Sicherheitsrat); funftens ist er das
erfolgreiche Ergebnis der von Joseph S. Nye beschriebenen „dritten(r) Dimension der bffentlichen
Diplomatie" (siehe oben), die in dieser Partei bereits in der Jungen Union beginnt.
„Macht geht vor Recht"
Interviewer: Warum sind die NATO-Partner den Weg der USA mitgegangen, ohne einen UN-
Beschluss militarisch auf dem Balkan einzugreifen?
Jochen Scholz: Weil alle NATO-Staaten die standige Erweiterung des Bundnisses nach Osten
befurworteten (und es bis heute tun) und die EU-Mitglieder die EU ebenfalls nach Osten ausweiten
wollten. Beidem stand ein Jugoslawien, das sich den Bedingungen des Washington Consensus nicht
unterwerfen wollte und auch eigene Machtanspruche auf dem Balkan hatte, im Wege. Macht ging also
vor Recht.
Interviewer: Wenn wir Sie richtig verstehen, dienen Anti-Terror-Krieg (sei es im Irak, Afghanistan oder
sonst wo) ausschliefclich wirtschaftlichen Interessen (Rohstoffe). Sind aus kapitalistischer Sicht die
hohen Kosten zu vertreten? Ware es nicht billiger gewesen, die Ihrer Aussage nach zu hohen
Entschadigungszahlungen, die beispielsweise die Taliban fur Rohstofftransporte durch Afghanistan
verlangt haben einfach zu zahlen oder anderweitig, z.B. mit Bestechung zu arbeiten?
Jochen Scholz: Diese Rechnung kbnnte man aufmachen, wenn es nur um ein einzelnes Land ginge,
wie z. B. Afghanistan. Aber Afghanistan ist wegen seiner geographischen Lage von
auUergewbhnlicher Bedeutung fur das auf den Ideen von Sir Harold Mackinder beruhende Vorhaben
einer US-Kontrolle des eurasischen (Doppel-) Kontinents. Deswegen beabsichtigen die USA, sich dort
auf Dauer festzusetzen, um die Konkurrenten China und Russland einzuhegen, den Iran zu
destabilisieren und sich die Rivalitaten zwischen Indien und Pakistan zunutze zu machen. Der
ausgesprochen kundige ehemalige indische Diplomat M. K. Bhadrakumar hat dazu kurzlich in der Asia
Times geschrieben.
Auf einen solchen Text in einer deutschen Zeitung warte ich seit neun Jahren.
Die Rohstofffrage ist selbstverstandlich von zentraler Bedeutung. Sie muss aber im strategischen
Kontext noch von einer zumindest gleich wichtigen Seite her gesehen werden. Es geht naturlich
neben der Verfugbarkeit fur die jeweils eigene Wirtschaft immer zugleich darum, den Zugang der
Konkurrenten zu kontrollieren, weil damit deren wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst werden kann.
Wenn man mit diesem Blick an bestehende oder kunftige Konflikte herangeht, ist dies fur das eigene
Urteil sicher hilfreich.
„Aus der Sicht der USA geht es in Bezug auf Eurasien um die
Frage: Bleiben wir im 21. Jahrhundert die dominierende Macht?"
Interviewer: Oder ist es nicht auch ein wirtschaftliches Interesse, dass Waffen, die entworfen und
gebaut wurden, auch einmal im Ernstfall ausprobiert und - noch wichtiger - fur teures Geld dann auch
ersetzt werden miissen?
Jochen Scholz: Die Frage der Waffenerprobung spielt in diesen geopolitischen Zusammenhangen
keine Rolle. Aus der Sicht der USA geht es in Bezug auf Eurasien um Sein oder Nichtsein, also um
die Frage: Bleiben wir im 21 . Jahrhundert die dominierende Macht. Vor diesem Hintergrund sind die
Rustungsausgaben nicht entscheidungsrelevant. Man muss sich von der Vorstellung freimachen, dass
die Riistungsindustrie die treibende Kraft fur die Entscheidungen der amerikanischen Auftenpolitik sei.
Die Erprobung neuer Waffen und der Ersatz der verbrauchten ist naturlich fur die Riistungsindustrie
ein willkommenes Geschaft.
Abbildung: Eine B-2 Spirit wirft 230 Kg-Bomben ab (Quelle: U.S. federal government, via Wikipedia)
Interviewer: Wie sehen die Strategien aus, weltweit US-treue Regierungen zu installieren, auch
gegen den Willen der Einwohner?
Jochen Scholz: Die sind sehr unterschiedlich. Vergleichen Sie die in Europa angewandten Mittel mit
denen in Lateinamerika (Panama, Chile, Honduras, Nicaragua, Guatemala, Mexiko) oder Asien
(Philippinen, Indonesien, Japan). Meistens funktioniert die Sache mit okonomischen Mitteln, bis hin zu
Methoden, die in den .. Confessions of an Economic Hitman " beschrieben werden. Hillary Clinton
bevorzugt Joseph Nyes .. smart power ". Wo die nicht greift, kommen hartere Mittel zum Einsatz.
Denken Sie an Deutschland nach 1 945: das war wohl die Methode, die mit dem geringsten Aufwand
zum Ziel gefuhrt hat, nicht gegen den Willen der Bevblkerung, was naturlich auch den historischen
Bedingungen geschuldet war. Ebenso in Japan, smart power at it's best. Ich habe dies oben aus
meiner Sicht bereits geschildert. Also: Patentrezepte gibt es da nicht.
Interviewer: Haben die US-Strategen den Widerstand in Afghanistan oder Irak unterschatzt oder
werden die Kriege absichtlich in die Lange gezogen?
Jochen Scholz: Beide Kriege wurden zunachst unterschatzt. Ob sich die Schwerpunktverlagerung
unter Obama nach .. AfPak ", weg vom Irak, durchhalten lasst, ist noch often. Afghanistan hat aber die
groftere Bedeutung fur die geopolitische Agenda der USA, deswegen der Kurswechsel, weil auch die
Krafte fur beide Kriegsschauplatze nicht ausreichen. Das Ziel, sich dauerhaft dort festzusetzen, steht
fur mich aufter Frage, siehe oben. Notfalls greift man dazu auch zu der von Ihnen angesprochenen
Methode. Ich muss aber an dieser Stelle etwas einfugen. Viele Menschen in Deutschland glauben
nicht, dass Demokratien zu einem derartig zynischen Machtkalkul fahig seien. Leider trifft das nur fur
einen Staat zu: die Schweiz. Weil sich dort uber Jahrhunderte ungestbrt ein System der
Volkssouveranitat entwickeln konnte, das der Exekutive Fesseln anlegt.
„Die Menschen in Amerika sind nicht wenigerfriedliebend als in
anderen Landern"
Interviewer: Je mehr GIs sterben, um so weniger wird die Akzeptanz des Krieges in der Bevblkerung.
Da wird Leuten wie Osama Bin Laden die Fahigkeit zugeschrieben, aus einer Berghbhle die Welt
bedrohen zu kbnnen, Angste vor einem tausende Kilometer entfernten und vor dem finanziellen Ruin
stehenden Mini-Staat Nordkorea geschurt. Wie lange kann so eine durchschaubare Politik der Angst
fortgefuhrt werden, zumal im Irak- als auch im Afghanistankrieg neben Menschenleben
Riesensummen verschleudert werden?
Jochen Scholz: Auf jeden Fall nicht unbegrenzt. Die Zahl der US-Burger, die einen Ruckzug fordert,
steigt kontinuierlich an. Die Wirtschaftskrise wird ein Ubriges tun. Wir diirfen ja nicht vergessen, dass
die Menschen in Amerika nicht weniger friedliebend sind, als in anderen Landern. Sie sind aber aus
den unterschiedlichsten Grunden, die ich hier nicht vertiefen kann, leichter manipulierbar, als der Rest
der Welt. Das hangt auch mit dem amerikanischen Selbstverstandnis zusammen. Finanziert werden
konnte diese Politik, weil sich die USA uber das System „Chimerica" und mit dem Dollar als Weltleit-
und Reservewahrung bislang unbegrenzt bei den Uberschusslandern (in ihrer eigenen Wahrung, das
ist das Entscheidende dabei) verschulden konnten. Diese aus Sicht der USA komfortable Situation
kommt aber jetzt an ihr Ende.
Abbildung: Der chinesische Lenkwaffenzerstorer Shenzhen (DDG 167) der chinesischen
Volksbefreiungsarmee (Quelle: US Federal Government, via Wikipedia)
„Das Ziel aller Uberwachungsmallnahmen ist die Schaffung von
Repressionsinstrumenten, mit denen sich die Spaltung unserer
Gesellschaft in oben und unten absichern lasst"
Interviewer: Derzeit gibt es fast monatlich eine neue Idee seitens der Politik, eine andere
UberwachunqsmaRnahme einzufuhren. Lauschangriff, Internetzensur, Hackerparagraph, die neue
lebenslang geltende Steuernummer, ELENA. Eine geplante Folge der Terror-Hysterie zur Abschaffung
von Menschenrechten? Wozu?
Jochen Scholz: Ich habe vor gut zwei Jahren in diesem Artikel versucht, eine Antwort auf diese
Frage zu geben. Nach meiner Beurteilung ist das Ziel aller Uberwachungsmaftnahmen die Schaffung
von Repressionsinstrumenten, mit denen sich die auf Dauer angelegte Spaltung unserer Gesellschaft
in oben und unten absichern lasst. Michael Hudson nennt das „Re-Feudalisierung".
Interviewer: Unsere Leser sorgen sich sehr um ihre Freiheit. Nicht nur dass online wie offline
mannigfaltige Uberwachungsmafinahmen eingefuhrt werden. Nun sollen diese auch noch mittels
INDECT zu einem einzigen grofcen System zusammengefuhrt werden. Sogar die ZEIT hat Angst
bekommen . Der britische Telegraph nennt es einen Orwellschen Plan . Wer genau steckt dahinter?
Wergenau profitiert davon? Was genau bedeutet es fur die Burger? Was ist Re-Feudalisierung? Wie
steht all dies in Verbindung mit der Machtelite? Bitte legen Sie dies ausfuhrlich dar. Hier Licht ins
Dunkel zu bringen ist derzeit leider immens wichtig.
„Es wird die dauerhafte Spaltung der Gesellschaft in ein klares
Oben und Unten angestrebt, wie es in feudalen Gesellschaften der
Fall war"
Jochen Scholz: Konnte es nicht so sein, dass die Uberwachung der Burger eine Konsequenz der
historischen Konstante ist, die da lautet: Herrschende Eliten haben ein originates Interesse daran, ihre
Macht, ihren Reichtum und die Art und Weise, wie sie beides ausuben bzw. erwerben, nicht mit dem
groften Rest der Gesellschaft zu teilen? Ich stelle diese Frage (auch mir selber), weil die bkonomische
Entwicklung der letzten dreifiig Jahre, mit Brandbeschleuniger nach 1989/90, darauf gerichtet zu sein
scheint, die Situation wieder herzustellen, die vor dem Erstarken all dessen bestand, was gemeinhin
als Arbeiterbewegung bezeichnet wird. Dass also die dauerhafte Spaltung der Gesellschaft in ein
klares Oben und Unten innerhalb der Staaten angestrebt wird, wie es in feudalen Gesellschaften der
Fall war; und global die Aufrechterhaltung der Dominanz der mit „Westen" bezeichneten entwickelten
Industriestaaten. Seit der Lekture von Karl Polanyis „The Great Transformation" und John Grays „Die
falsche Verheifiung" hat sich bei mir der Verdacht verdichtet, dass hier der Schlussel zu dem liegt,
was gemeinhin mehr unter demokratietheoretischen Aspekten diskutiert wird. Uberwachung im
weitesten Sinn istjedenfalls ein hervorragendes Mittel und die dem heutigen Stand derTechnologie
angemessene Methode, den angestrebten Zustand zu erreichen. SchlieUlich muss damit gerechnet
werden, dass die „unten" sich nicht ohne Widerstand einen solchen historischen Riickschritt bieten
lassen werden. Deswegen schafft Uberwachung zugleich die Voraussetzung fur die dann erforderliche
Repression. In diesem Zusammenhang will ich nicht verhehlen, dass mir die zunehmend enthemmter
werdende SelbstentbloBung im Internet generell und in den sozialen Netzwerken im besonderen
Sorge bereitet. Hier marschieren die Schafe sozusagen freiwillig und sorglos zur Schlachtbank, indem
sie beim Selbstdesign kaum mehr Grenzen einhalten. Welche Konsequenzen dies in einem speziellen
Segment der Gesellschaft haben konnte, ist in diesem Bulletin beschrieben, an dem ich mitgewirkt
habe.
Abbildung: Eugene Delacroix - Die Freiheit fiihrt das Volk (Quelle: Wikipedia)
Interviewer: Immer weniger Menschen vertrauen den sogenannten Mainstream-Medien. Es wird
behauptet, die Medien waren gesteuert, die Inhalte zensiert und gefiltert. Sie beschreiben, dass dies
uber die Kapital-Schiene (Werbung) lauft. Das gilt aber nicht fur staatliche Medien? Wie werden die
auf Linie gebracht?
Jochen Scholz: Mit Zeitungen soil in erster Linie Geld verdient werden. Das ist auch gar nicht
verwerflich. Die Crux ist jedoch, dass mit Verkauf und Abonnement nur etwa ein Drittel des Umsatzes
erzielt werden kann. Der Rest kommt uber Werbung und Anzeigen. Der Chefredakteur steht folglich in
einem Spannungsverhaltnis zwischen journalistischer Sorgfalt und einerseits und den kommerziellen
Interessen der Herausgeberseite. Im Zweifelsfall wird er folglich auf die Interessen Rucksicht nehmen,
die die materielle Basis der Zeitung bilden. Zensur ist da gar nicht notig. Im Ubrigen gilt, was Paul
Sethe 1965 in einem Leserbrief geschrieben hat: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen
Leuten, ihre Meinung zu verbreiten". In Italien ist aus diesen 200 Leuten ein Einzelner geworden. Ich
mbchte aber nicht falsch verstanden werden: Noch immer gibt es in unserer Presselandschaft
hervorragende Ausnahmen, auch im Ausland, wie die britische Presse zeigt.
Die bffentlich-rechtlichen Medien haben es immer schwerer, sich dem parteipolitischen Druck der
Rundfunk-/Fernsehrate zu entziehen. Das vorlaufig letzte Negativbeispiel hierfur hat der Hessische
Ministerprasident Koch das gesamte Jahr 2009 uber mit seinen Angriffen qeqen die
Vertraqsverlanqerunq des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender geliefert, was ja auch - aus seiner
Sicht - erfolgreich waren.
Abbildung: Nikolaus Brender, bis voraussichtlich Ende Marz 2010 Chefredakteur des ZDF (Quelle: via
Wikipedia)
Interviewer: David Rockefeller bedankt sich offentlich bei den gro&en Medien dafur, 40 Jahre lang die
Machenschaften der Machtigen von der Offentlichkeit abgeschirmt zu haben. Zitat:
„Wir sind der Washington Post, der New York Times, dem Time Magazine und anderen grollen
Publikationen dankbar, deren Chefredakteure an unseren Treffen in der Vergangenheit teilnahmen
und die Zusage der Vertraulichkeit fast 40 Jahre lang respektierten. Es ware fur uns nie mbglich
gewesen, einen Plan fur die Welt zu entwickeln, wenn wir wahrend dieser Jahre im Licht der
Offentlichkeit gestanden hatten. Aber die Welt ist aufeinem komplexen und vorbereiteten Weg hin zur
Weltregierung. Die supranationale Souveranitat einer intellektuellen Elite und der Welt-Bankiers ist
sicherlich der nationalen Souveranitat der letzten Jahrhunderte vorzuziehen. "
Wie interpretieren Sie dies?
Jochen Scholz: Die grofien US-Zeitungen gehoren Industriekonzernen, das spricht fur sich. Zu
Rockefellers Aufierungen: Auch ihm wird es nicht gelingen, die griechische Mythologie zu widerlegen.
Hvbris ruft den Zorn der Gotter hervor.
Abbildung: Rockefeller Center in New York City, 1940 im Art Deco Stil fertiggestellt. (Quelle: privat)
„Das Problem ist der Mensch an sich, dessen Machtanspriiche
durch Gegenmacht neutralisiert werden mussen"
Interviewer: Das Internet ware doch eine Plattform, die erfolgreich die Menschen informieren konnte.
Haben Sie Hoffnung darauf, dass dieses Medium etwas andert oder besteht eher die Gefahr, dass wie
z. B. in China die Zensur Einzug halten wird?
Jochen Scholz: Die Anfange von Zensur(versuchen) gibt es ja bereits. Eine der Reaktionen darauf ist
die Grundung der Piratenpartei gewesen. Politische Macht ist eben auch in der Demokratie anfallig fur
den Abfall von der reinen Lehre. Dem tragt ja unser Grundgesetz mit der Trennung der drei Gewalten
Rechnung. Das Problem ist immerder Mensch an sich. Und dessen Machtanspriiche mussen durch
Gegenmacht neutralisiert werden. Die Englander nennen das „checks and balances." Insofern ist die
Demokratie die einzige Staatsform, die dem Burger die Moglichkeit bietet, sich ohne Gewalt gegen
diejenigen zu wehren, die sich anmaften, die Freiheit zu beschranken. Das Grundgesetz raumt uns
dartiber hinaus in Artikel 20 Absatz 4 ein Widerstandsrecht ein, wenn diese gewaltfreien Mittel nicht
mehr ausreichen. Wer dartiber mehr erfahren mochte, sollte sich in die einschlagigen Kommentare
des ehemaligen Bundesprasidenten Roman Herzog vertiefen. (H. war zuvor Professor fur Staatsrecht
und ist Mitverfasser des Standardkommentars zum GG). Das Internet sehe ich als Moglichkeit der
Ruckgewinnung von Autonomie gegenuber der Politik, weil es einen entscheidenden Beitrag leisten
kann, die Informationsuberlegenheit von Regierungen und Wirtschaftzu kompensieren.
Interviewer: Welche Medien wiirden Sie empfehlen, in denen sich die Bevblkerung uberhaupt noch
informieren kann? Und wem kann man uberhaupt noch trauen?
Jochen Scholz: Ich mochte hier keine Empfehlungen abgeben. Wichtig ist, sich erstens regelmaftig
und zweitens aus mehreren Quellen zu informieren. Das kostet Zeit, ist aber einer der Preise, die fur
die Freiheit zu zahlen sind. Und das Internet bietet ja die Moglichkeit, weit iiber den deutschen
Tellerrand hinauszublicken. Ich persbnlich informiere mich selbstverstandlich auch mit Hilfe der drei
grolSen deutschen Tageszeitungen und der FTD. Hier wird in aller Regel Qualitatsjournalismus
geboten. Allerdings muss man deren „Linie" jeweils einschatzen kbnnen.
„Der Vorwurf von Antiamerikanismus Oder Antisemitismus iststets
ein hilfloser Versuch, Kritik an der Politik der Transatlantikerzu
diskreditieren"
Interviewer: Ihnen wird sicherlich des Ofteren Anti - Amerikanismus vorgeworfen. Mbglicherweise
auch Antisemitismus, Verfolgungswahn, geistige Verwirrung oder eine rechtsradikale Neigung. Sie
werden als Verschworungstheoretiker gebrandmarkt. Wie reagieren Sie darauf?
Jochen Scholz: Angesichts meiner politischen Entwicklung, die auf der „umgekehrten
Mussolinikurve" verlaufen ist, um ein Bonmot von Gerhard Zwerenz abzuandern, gibt es solche
Anwurfe nicht. Und wenn, wurde ich darauf auch nicht reagieren. Mit dem Vorwurf von
Antiamerikanismus musste auch mein Freund Dieter S. Lutz leben. Das ist stets ein hilfloser Versuch,
Kritik an der Politik der Transatlantiker zu diskreditieren.
Interviewer: Doch ist es sicherlich wahr, dass Verschwbrungstheorien derzeit stark im Umlaut sind.
Wie trennen Sie die Spreu vom Weizen?
Jochen Scholz: Indem ich mich weigere, meinen Verstand beleidigen zu lassen.
Aber lassen Sie mich dazu noch einige Anmerkungen machen. Ihre Frage zielt ja wohl auf die bunte
Welt esoterischer Zirkel, insofern diese Antwort. Es gibt aber eine Palette von wohlfeilen
Totschlagargumenten, die immer dann hervorgeholt werden, wenn kritische Fragestellungen
hinsichtlich der globalen Rolle der USA, ihrer Politik und des Verhaltens Deutschlands oder der EU in
diesem Zusammenhang in der Offentlichkeit madig gemacht werden sollen. Mit der Keule
Verschworungstheoretiker ist zuverlassig eine durchschlagende Wirkung zu erzielen. Warum? Weil
die Burger mit dem Begriff sofort die Welt der UFOs, Kornkreise und Chemtrails assoziieren und
abwinken. Deswegen ist es fur Publizisten oder Analytiker, die sich aufterhalb des Mainstreams
bewegen wichtig, sich das richtige Umfeld fur ihre Veroffentlichungen auszusuchen. Das kann
allerdings ein Lernprozess sein.
„Die AuRenpolitik der USA seit 1945 wurde auch mit Hilfe einer
kontinuierlichen Kette realer Verschworungen betrieben"
Mit dem Vorwurf des Verschwbrungstheoretikers soil naturlich davon abgelenkt werden, dass die
Aufcenpolitik der USA seit 1945 auch mit Hilfe einer kontinuierlichen Kette realer Verschworungen
betrieben wurde. Eine kleine Auswahl: Die Ermordung des 2. UNO-Generalsekretars Dag
Hammarskjbld, Schweinebucht, Kongo (Ermordung Lumumbas),Vietnam, Kambodscha, Chile,
Grenada, Panama, Nicaragua, Venezuela, Afghanistan, Irak, 2008 die Einmischung in Bolivien. Und
soeben beginnt die nachste im Jemen, wie der immer zitierfahiqe indische Ex-Diplomat M K
Bhadrakumar urteilt.
Aber vergessen wir nicht, vor der eigenen Hausture in Deutschland und Europa zu kehren. Die
Begrundung fur den Krieg gegen Jugoslawien war ebenso eine reale Verschworung wie Tony Blairs
Anweisungen an seine Dienste, die Begrundung fur den Irakkrieg zu liefern. Inzwischen halten ihn
deswegen 52 Prozent der Briten fur einen Kriegsverbrecher. An diesem Beispiel kann man ermessen,
warum es dem transatlantischen Mainstream so wichtig ist, unbequeme Wahrheiten mit alien Mitteln
zu unterdrucken: Mit Blairs „New Labour" im Riicken hat Gerhard Schroder die SPD auf den
neoliberalen Kurs der vergangenen 10 Jahre getrimmt, Sarkozy wollte ihn noch vor einem halben Jahr
zum Prasidenten des Europaischen Rates machen. Leider muss ich mich hier aus rechtlichen
Grunden verbal zuruckhalten.
Interviewer: Nehmen wir an, der Weltbffentlichkeit wiirden all die in diesem Interview beschriebenen
Dinge auf breiter Basis bewusst. Denken Sie, es gabe einen weltweiten Burgerkrieg, einen Aufstand
der Massen? Seit dem G8 Gipfel in Genua 2001 kann man sich in etwa vorstellen, wie die Polizei
reqieren wurde . Ware es nicht besser fur die Offentlichkeit, nachzugeben, und diese Dinge
zuzulassen, um Blutvergiefcen zu vermeiden?
Jochen Scholz: Die Frage ist hypothetisch. Eine quantitativ relevante Protestbewegung, deren
Einfluss zeitlich uber das jeweilige Ereignis (z. B. G8-Gipfel) und seine unmittelbare mediale
Rezeption hinausreicht, ist weit und breit nicht zu sehen.
Abbildung: Angriff der Polizei auf Demostranten beim G8 Gipfel, Genua 2001 (Quelle: w:it:Camillo, via
Wikipedia)
Die einzige Chance fur einen grundlegenden Wandel der Politik, die dem altmodischen „Gemeinwohl"
dient (Wirtschaft, Finanzen, Entwicklung, Umwelt, Demokratisierung) liegt im allmahlichern Gewinnen
gesellschaftlicher Heqemonie (aber nicht wie bei Gramsci an das ..Proletariat" gebunden) mit Hilfe
entsprechender Parteien und vernetzten Menschen, die sich aus ihrer .. selbstverschuldeten
Unmundiqkeit " (Immanuel Kant) befreien wollen. Diesen Willen kann ich noch nicht erkennen. Insofern
diirfen die Oligarchen noch ruhig schlafen.
Abbildung: Immanuel Kant, Radierung von Johann Leonhard Raab nach einem Original von Dobler
(1791) (Quelle: Wikipedia)
Interviewer: Haben wir nun vergessen, Sie etwas zu fragen? Ware schon, kbnnten Sie sich dann
hierzu selbst fragen und dazu aulSern, um die Sache abzurunden.
Jochen Scholz: Abschlussbemerkung: Falls der Eindruck entstanden sein sollte, dass ich Pessimist
oder Fatalist bin, mbchte ich widersprechen. Ware ich es, gabe es dieses Interview nicht und auch
nicht mein Engagement in der Partei DIE LINKE. Ich bin vielmehr davon iiberzeugt, dass wir
Menschen es schaffen konnen, eine bessere Welt zu bauen. Was wir lernen miissen, ist, trotz der
riesigen Probleme weltweit die Geduld nicht zu verlieren und nicht den Mut. Denn „der Fortschritt ist
eine Schnecke", um ausnahmsweise einmal Giinter Grass zu zitieren. Und noch etwas muss ich als
Katholik in diesem Zusammenhang sagen: Die condition humaine sollten wir bei allem Engagement
nicht vergessen. Wirerleben sie tagtaglich in unserem beruflichen und persbnlichen Umfeld. Dem
Streben des Menschen sind in ihm selbst Grenzen gesetzt. Manche kann er uberwinden. Aber nicht
alle.